«Feine Kunststücke» Thomans Meyer, züri-tip, TA, 18-8-1995
Eine ungewöhnliche Konzertreihe führen die beiden Pianisten Claudia
Rüegg und Tomas Bächli im Kino Morgental durch: Sie stellen Klaviermusik
neben Kurzfilme von Richard Serra und Peter Liechti - ein besonderer «Zeitvertreib».
Hände auf Leinwand und Tasten
Diesmal setzen sie Klaviermusik neben Kurzfilme von Richard Serra und Peter Liechti.
Und auch da geht es wieder um Grenzüberschreitungen, denn diese Filme sind
nicht das, was man sich sonst als Handlungsfilm gewohnt ist, sondern inspirieren
sich eher an bildender Kunst. Serra etwa, 1939 in San Francisco geboren, hat sich
vor allem als Plastiker hervorgetan. 1968 filmte er auch. In seinem Kurzfilm «Hand
Catching Lead» sieht man nur die Hand Serras, die Bleistücke fängt
und verfehlt. Die Dauer von «Hands Tied» ist dadurch bestimmt, wie
lange Serra braucht, um seine mit einem Seil zusammengebundenen Hände aus
dem Knoten zu befreien. «Hand Scraping» ist eine Art Choreographie
für zwei Paar Hände, die damit beschäftigt sind, den Boden sorgfältig
von einem Haufen Stahlspäne zu säubern. Philip Glass hatte da übrigens
seine Hände mit im Spiel.
Kaum fünf Minuten dauern diese Filmstücke jeweils, und auch Peter Liechtis
«Tauwetter» mit dem Künstler Roman Signer ist mit acht Minuten
nur unwesentlich länger. Aber gerade durch diese Knappheit eignen sich diese
Filme dafür, in einen Zusammenhang mit Musik zu treten, sind sie doch selber
musikalisch bestimmt. Eine weitere Beziehung ergibt sich durch die Hände.
Mit ihren Händen zaubern Claudia Rüegg und Tomas Bächli Klaviermusik
von Johann Sebastian Bach bis Martin Sigrist aus den Tasten. Komponisten wie Mozart
und Beethoven, Steve Reich und Frederic Rzewski, der jüngst erst wiederentdeckte
Erich Itor Kahn sowie der Zürcher Alfred Zimmerlin sind mit von der Partie.
Die Programme wechseln täglich.
So werden sich spannende, unerwartete Abläufe ergeben, die Augen und Ohren
gleichermassen und wechselweise ansprechen ein «Zeitvertreib», so
der Titel der Veranstaltung besonderer Art. Denn die ausgewählten Kurzfilme
zeigen und sind Zeitvertreibe, freilich nicht in einem oberflächlichen Sinn,
sondern indem Zeit erfahrbar und greifbar gestaltet wird. Das tut auch Musik unablässig.