PETER LIECHTI (1951-2014)
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纳米比亚交叉口-精神与界限 (2004, Roadmovie/Essay, - 35mm 1:1,66 FAZ, Farbe, Dolby SR-D Digi-Beta DCP: 24p/s DVD deutsch, Englisch, Français, 92')
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• Michael Omasta, Der Falter (Wien), 8.9.2005
• Otto Friedrich, Die Furche (Wien), 8.9.2005
• Ursula Badrutt Schoch, St.Galler Tagblatt, 13.10.2004
• Irmgard Schreiber, Allgemeine Zeitung, Windhoek, 2.4.04.
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Dominik Kamalzadeh, Der Standard, Wien, 26.4.2004
Simon Niederhauser, Basler Zeitung, 23.9.2004
• Agathe Blaser, Züri-Tipp, 16.9.2004
• Irene Genhart, Filmbulletin 6/2004.
• Geri Krebs, Der Bund, Bern, 17.9.2004

• Christoph Egger, NZZ, 17.9.04
• Valentin Rabitsch, Luzerner Zeitung Sept. 04 
• Erika von Wietersheim, NZZ, Sommer 2002 

  Zitate


  

Michael Omasta, Der Falter, Wien, 8.9.2005
Ideen und ihre Grenzen
Mit "Namibia Crossings" zeigt der Schweizer Filmemacher Peter Liechti Weltmusik im Entstehen. Kein einfaches Unterfangen. 
Knapp einen Monat lang hat Peter Liechti, eigensinnigster Filmemacher der Schweiz, die Hambana Sound Company auf einer Tournee begleitet; zwölf Musiker und Sängerinnen aus Namibia, Zimbabwe, Angola, der Schweiz und Russland, die auf der Suche nach ihren "gemeinsamen Wurzeln" den Crossover zwischen Avantgarde und Tradition, afrikanischer Musik und Jazz proben.. "Nambia Crossings" zeigt Weltmusik im Entstehen.
Kein einfaches Unterfangen, weder die Tournee noch der Film. Schon bald nach Beginn der beschwerlichen Reise durch Namibia, das ehemalige Deutsch-Südwestafrika, treten künstlerische Meinungsverschiedenheiten auf. Zu tief sind die Risse, die die Kolonisation hinterlassen hat, als dass kulturelle Differenzen sich auf musikalischem Wege einfach austragen ließen. So gesehen übersetzt man den Untertitel des Films ("Spirits & Limits") am besten mit "Ideen und ihre Grenzen".
Für eine herkömmliche Musikdoku freilich wäre Liechti ohnehin der falsche Regisseur. Er versucht erst gar nicht, die einander widerstrebenden Bewegungen des Films zu begradigen.
Im Gegenteil. "Namibia Crossings" erzählt weder die Geschichte eines Erfolges, noch ist er Dokument eines Scheiterns, Das bewusst Offene, auch Widersprüchliche, macht seit jeher den Reichtum seines filmischen Werks aus.
Bilder großartiger Landschaften, alltägliche Beobachtungen und Musikszenen wechseln einander ab. Eine alte Frau, die von der Arbeit auf den Feldern kommt, beginnt, zur Musik zu steppen; der Akkordeonspieler Haus Hassler begleitet Sharon van Rooi, erste Vokalistin der namibischen Jazzszene, durch "Porgy and Bess"; Beim, Konzert in Mariental stiehlt eine lokale Boy-Group dem weitgereisten Ensemble mit links die Show. "Jede kleine Gelegenheit wird sofort genutzt", stellt Liechti bei der Ankunft in einem Dorf am Rande der Kalahari fest, "wenn es etwas zu lachen oder zu feiern gibt."
Für die Fertigstellung dieses Films, der selbst wie ein Crossover seiner bekanntesten Arbeiten wirkt, hat Peter Liechti sich drei Jahre lang Zeit gelassen. Genretypologisch ist "Namibia Crossings" dem Roadmovie "Hans im Glück" (2003), bildsprachlich eher dem Kunstfilm "Signers Koffer (1996) verwandt. Schauplatz der letzten Szene ist eine Geisterstadt, die hier einst unter Bismarck aus dein Wüstenboden gestampft wurde. Vor einem der Häuser, in deren Innerem sich mittlerweile Sandberge türmen, steht verlassen eine weiße Badewanne.

 
Ursula Badrutt Schoch, St. Galler Tagblatt, 13.10.2004
«Musik ist gut für die Menschen»

«Namibia Crossings - Spirits and Limits»: Der Film von Peter Liechti tanzt durch Landschaften und Seelen Ein interkulturelles Musikprojekt war sein Anlass. Ein differenziertes Porträt zum Leben, Zusammenleben, Überleben in Namibia zwischen Geborgenheit und Fremdsein ist der Film geworden.

«Ich habe in der Schweiz das ganze Jahr über nicht so viel und so gut gelacht wie in den wenigen Wochen in Namibia», erinnert sich Peter Liechti. Das Lachen zieht sich denn auch wie musikalische Intermezzi durch den Film, verwebt sich mit den Gesängen, den Trommelrhythmen, den Reflexionen aus dem Off. 
Lachen löst keimende Spannungen, bricht den Ernst und fügt sich wie Bindemittel zwischen die Gegensätze der Szenen der Nähe und Szenen leiser Verletzungen. Und wie das Lachen fügt sich auch die Stille in den Film ein, die Ruhe langsamer Landschaftsszenen, des Elefanten, des Windes. Nur: Die Stille muss man erst hören. «Musik, so viel ist mir in Afrika klar geworden, kommt aus der Stille», hat Peter Liechti ins Tagebuch notiert.

Ein Experiment
170 Stunden Material haben er und sein Team in 6 Wochen gedreht. Und, so der Regisseur, sie reichten nicht aus, die Eindrücke zu zeigen, die er in Namibia gefunden habe. Unterdessen ist das Material auf 90 Minuten heruntergeschnitten. Verdichtet zu einer rhythmischen Reise entlang der Menschen und ihrer Musik, ihrer Geschichten, ihrem Alltag. 
Der in Zürich lebende und in Namibia aufgewachsene Cellist Bernhard Göttert initiierte die «Hambana Sound Company», ein musikalisches Experiment, an dem sich zwölf Musikerinnen und Musiker aus Namibia, Zimbabwe, Angola, Russland und der Schweiz beteiligten. Die Idee war, durch den Kontakt mit lokalen Musikern während der Konzerttournee durch Namibia das eigene Repertoire aufzubauen und gleichzeitig zurück zu den Wurzeln zu finden.
Nur: zu welchen Wurzeln? Apartheid, Kolonialismus - oder die christliche Mission, fragt sich der Regisseur mit desillusioniertem Unterton nach dem ersten Konzert in Windhoek.
Als Göttert den St. Galler Filmer Peter Liechti anfragte, die Namibia-Tournee zu begleiten, habe dieser sehr schnell zugesagt. «Die Stichworte Afrika und Musik waren mir attraktiv genug für diesen raschen Entscheid. Die Probleme kamen dann später», so Liechti, der eigentlich genau so gerne Musiker wie Filmer geworden wäre. Schon «Kick that Habit», ein Filmporträt zu Norbert Möslang und Andy Guhl, war ein Musikfilm, und auch andere Liechti-Filme bleiben wie Melodien in den Ohren hängen. In «Namibia Crossings» startet das Zusammenspiel von Menschen und Musik mit viel Leichtigkeit und Begeisterung. Die Stimmung geht unter die Haut. Doch die Kamera fokussiert nicht nur Erfolge und die vorerst erfüllten Erwartungen. Sie fährt auch subtil den Szenen am Rande der Tournee, den Befindlichkeiten und Schwierigkeiten nach.

Wunden und Narben
Die Motivationen zum Projekt reichen von einer Art Wiedergutmachungsidee über das Bedürfnis nach Inspiration bis zur Attraktion des gut bezahlten Jobs, der Spass macht. Klare Forderungen und Erwartungen treffen auf heitere Gelassenheit. Oder ist es Gleichgültigkeit? Wunden und Narben von Kolonialismus und Apartheid werden sichtbar. Immer häufiger zerbrechen die Versuche von Gemeinschaftsbildung an Disharmonien und kollektiv verankerten Verletzungen. Physische Nähe kann da unvermittelt in Ablehnung kippen. Das Cello hängt verstummt am Baum, die Sängerinnen sind betrunken und streiten sich mit dem predigenden Dominic Lunenge. «Von Austausch kann keine Rede sein, doch jeder hat auf seine Weise sehr viel mitbekommen in diesen Tagen ...», so die Stimme aus dem Off nach dem Zoff bei den San.

Weitergehen
Doch das scheinbare Scheitern ist ein Weitergehen. Ist Alltag. Das Projekt ist Prozess. Dank der sensiblen Beobachtungs- und Reflexionsgabe, dank Offenheit und Ehrlichkeit bricht der Film den Pathos von Weltmusik auf die holprige Staubstrasse hinunter, entgeht gängigen Klischees und thematisiert sie zugleich intelligent und humorvoll. «Das sanfte Aufgeben einer Utopie, Abschied von der Erinnerung an eine Zeit, in der noch alles hätte besser werden können», hat sich Liechti an anderer Stelle notiert.
«Namibia Crossings» zeigt, dass erst aus dem Bewusstwerden gescheiterter Utopien Neues entstehen kann. Die reichhaltigen Erfahrungen geschehen dort, wo Wut, Schmerz, Melancholie und Lachen zusammenklingen. Dort ist auch Musik. «Und Musik», sagt die Sängerin Ermelinda Thataone, «Musik ist gut für die Menschen.» Wenn der Akkordeonist und der Mbiraspieler im deutschen Zimmer einen Ländler hinlegen, wenn der Schlagzeuger Fredy Studer mit dem Drummer einen fliehenden Skarabäus über den Sand musikalisch begleiten und so gar die Natur zum Tanzen bringen, dann keimen die Samen, die gegenseitiger Respekt säen kann. 
Am Schluss spielt Emmanuel Karumanzondo ein Lied auf der Mbira, dem Instrument, das für die Kommunikation mit den Ahnen und Geistern verwendet wird: «To my Brother» - und meint nicht nur den leiblichen Bruder, sondern die Menschen. «Ist Wehmut dasselbe wie Sehnsucht», fragt Peter Liechti. «Vielleicht ist Wehmut das deutsche Wort für Blues, ein schönes Gefühl, obwohl es wehtut ...»

 
Zitate
Der Schweizer Peter Liechti dokumentiert eine Reise des multikulturellen Musikensembles «Hambana Sound Company» von Namibias Hauptstadt Windhoek durch grossartige Landschaften zur Küstenstadt Lüderitz, mit Zwischenhalt in properen Missionsstationen, armen Townships und noch ärmeren Siedlungen der San, der Ureinwohner des Landes. Das Projekt der Musiker, unter Mitwirkung lokaler Künstler eine Art Klangporträt von Afrika zu kreieren, erweist sich als problematisch. Es ist eine Stärke des auch formal geglückten Roadmovies, dass Schwierigkeiten erforscht statt vertuscht werden. (Züri-Tipp, 30.9.04)
 
Irmgard Schreiber, Allgemeine Zeitung, Windhoek [älteste Zeitung Namibias], 2.4.04
Windhoeker hatten am Mittwochabend Gelegenheit, die Weltpremiere von "Namibia Crossings" im Kino des Franko-Namibischen Kulturzentrums zu sehen. Der Schweizer Dokumentarfilm über das Musikprojekt "Hambana Sound Company" ist wahrscheinlich einer der stimmungsvollsten Filme, die bisher in und über Namibia gedreht wurden. ... Auf jeden Fall ist er als absolutes Muss für das nächste Wild Cinema International Filmfestival in Windhoek vorgemerkt..
 
Dominik Kamalzadeh, Der Standard, Wien, 26.4.2004
Auch im Eröffnungsfilm ging es diesmal um Der Schweizer Peter Liechti begleitet in Namibia Crossings - Spirits & Limits die Hambana Sound Company, eine multinationale Musiktruppe, die afrikanische mit westlichen Sounds fusioniert, auf einen Konzerttrip durch Namibia. Liechtis Perspektive zielt aber über diesen "Auftrag" hinaus: Sein Roadmovie befragt - über Landschaftsaufnahmen, Aufenthalte bei indigenen Völkern, aber auch über den Off-Kommentar - die eigene Haltung gegenüber dem Kontinent, die Sehnsucht nach dem Anderen. Die Utopie des Musikprojekts bleibt indes uneinholbar - Spannungen unter den Künstlern treten auf, die Instrumente erklingen immer öfter solo, und die Reise zerfällt in Momente, die disparat bleiben: Genau dieses Scheitern macht Namibia Crossings aber so aufschlussreich wie aufrichtig.
 
Basler Zeitung, 23.9.04, Simon Niederhauser.
Missklang in der Weltmusik

In Peter Liechtis »Namibia Crossings« fühlen sich gut meinende Ethnomusiker missverstanden.

[..] Liechtis Film handelt nicht nur von den Kollisionen einer schönen Idee mit der Wirklichkeit. «Namibia Crossing» ist auch ein Porträt Namibias und seiner surrealen Szenerien: deutsche Bierstuben und Afrikanerinnen in wilhelminischen Gewändern; Geisterstädte, die im Wüstensand versinken; besoffene Buschleute und Dörfer, in denen fast nur Aidswaisen leben.
Liechti führt heran, lässt faszinieren, um dann unvermittelt wieder auf Distanz zu gehen. Fast unmerklich entspinnt sich so zwischen seinen intelligenten Kommentaren, den starken Bildern, der Musik und den Aussagen seiner Protagonisten ein feines Netz aus Emotionen und Widersprüchen, in das wir bald selbst verwickelt werden.
  
Agathe Blaser, Züri-Tipp, 16.9.2004
[...]  Im August 2001 reisten also der Schlagzeuger Fredi Studer und der Akkordeonist Hans Hassler aus der Schweiz nach Windhoek, wo sie auf Göttert und neun Musikerinnen und Musiker aus Namibia, Zimbabwe, Angola und Russland trafen. Liechti dokumentiert die ganzen sechs Wochen vom Enthusiasmus der ersten Proben bis zur Wehmut des letzten Abends.
Da singt die russische Flötistin ein Lied aus ihrer sibirischen Heimat, und als die drei afrikanischen Sängerinnen ihre eigenen Harmonien darunter legen, bekommt der Schreibende im heissen August Gänsehaut von den Zehenspitzen bis zur Glatze. Da greifen die Rhythmen des Schlagzeugs von Fredi Studer und der afrikanischen Trommler ineinander, während die Kamera einen Käfer verfolgt, der über den Wüstenboden rast. Da gelingt es der namibischen Sängerin Sharon van Rooi, begleitet von Hans Hasslers Akkordeon, einen ausgelutschten Song wie "Summertime" so zu bringen, als hätte man ihn noch nie gehört.,
Ach, es könnte alles so schön weitergehen. Doch das tut es nicht. Zu heftig divergieren die Interessen der Beteiligten: Der seit 1991 in der Schweiz lebende Göttert möchte seiner ursprünglichen Heimat etwas zurückgeben; die Schweizer erhoffen sich neue Impulse; und die Afrikaner möchten einen gut bezahlten Job und es lustig haben.
Es ist Liechtis grosses Verdienst, dass er diese Konflikte nicht kaschiert, sondern das , Scheitern der schönen Multikulti-Utopie zeigt und mit Galgenhumor kommentiert. Die "Bushmen" geben ihre monotonen Gesänge zum Besten, doch eigentlich rauchen sie lieber, und an einem musikalischen Austausch sind die kein bisschen interessiert. Mit einem Mal will der namibische Trommler Dominic Lunenge seine traditionelle Musik nicht "verschmutzen" lassen durch ausserafrikanische Einflüsse.
Und unter einem Baobab-Baum kommt es zum Showdown zwischen ihm und zwei Sängerinnen, die sich am Vorabend betrunken haben: Die Bibel schwingend, malt er den beiden die Verdammnis aus. Dabei zeigen Liechtis Bilder von der atemberaubend schönen Landschaft. Eigentlich wäre dieses Land gross genug, dass alle darin Unrecht haben können.
Kulturaustausch und "back to the roots" sind schöne Wunschvorstellungen die in der Praxis jedoch ihre Tücken haben, wie Peter Liechtis Dokumentarfilm mit einer gesunden Portion Selbstironie belegt Namibia Crossings" erzählt von einer Reise der Hambana Sound Company von Namibias Hauptstadt Windhoek durch grossartige Landschaften zur Küstenstadt Lüderitz, mit Zwischenhalt in properen Missionsstationen armen Townships und noch ärmeren Siedlungen der San, der ehemaligen Ureinwohner des Lande& überall, wird musiziert I getanzt gefeiert und gelacht. Und überall Lebenslust Kulturelle Vielfalt und Gastfreundschaft 1 nur notdürftig Hunger, Krankheit, Bigotterie, schwelenden Rassismus und Selbstentwertung infolge der kolonialen Vergangenheit.
Es ist eine Stärke von Namibia Crossings", dass diese Kontraste ebenso wenig verleugnet werden wie die Probleme der Musiker, deren Projekt, ein Klangporträt Afrikas zu kreieren, zu scheitern droht. Liechtis Roadmovie ist auch formal geglückt. Alles ist in Bewegung - die Musik, der Tanz, die Menschen, die Tiere, die Landschaft vor den Fenstern des, holprigen Autobusses -, und doch ist es mit Stil fotografiert und mit grosser Sorgfalt zu einem Ganzen gefügt.
  
Irene Genhart, Filmbulletin 6/2004.
Unterwegs-Sein. Fremden und Fremdem begegnen. Pittoreske Landschaften entdecken. Musik und Geräusche. Dazu: schnurrige Gedanken. Oft assoziativ, Manchmal erklärend, immer geprägt von der ureigenen Weltbetrachtungsweise des Regisseurs: Das sind die Filme von Peter Liechti. Die wichtigsten: HANS IM GLÜCK, 2003; SIGNERS KOFFER, 1996; KICK THAT HABIT, 1989, ein Spielfilm: MARTHAS GARTEN, 1.997. Und nun: NAMIBIA CROSSINGs. Gefilmt im Spätsommer 2004 in Namibia, fertiggestellt im Frühjahr 2004 in der Schweiz.
Das Gerüst: ein Weltmusik-Projekt; im Spätsommer 2001 begibt sich die "Hambana Sound Company", deren Mitglieder aus Angola, Namibia, Russland, der Schweiz und Simbabwe stammen, in Namibia auf Konzerttournee. Gespielt wird eine Fusion von westlichen und afrikanischen Sounds. Ziel des auf sechs Wochen angelegten Unterfangens ist, die musikalische Herkunft abzustreifen und in der Begegnung mit lokalen Musikern zu den Wurzeln der Musik zu finden. Liechti begleitet das Experiment mit Kamera und Mikrofon und erstellt, als Erzähler figurierend, eine Art filmisches Tagebuch. Nach knapp zwei Wochen gemeinsamer Proben und einem ersten Konzert in Namibias Hauptstadt Windhoek begibt man sich auf Reise: Bis hierher klingt alles, was die "Hambana Sound Company" spielt, nach ausgefeilter Weltmusik, und NAMIBIA CROSSINGS scheint auf der von Wim Wenders mit BUENA VISTA SOCIAL CLUB ausgelösten Weltmusik-Film-Welle zu surfen.
Doch Liechti ist kein Zeitgeistreiter. Er bricht das Genre, verändert den Fokus. Nimmt die Tournee als Vorwand, um in die Landschaften, Farben, Töne und Klänge von ehemals Südwestafrika einzutauchen; einen Blick zu werfen auf den jungen, über weite Strecken sandigen Staat, in dem Kolonisation und Apartheid leuchtende Narben hinterliessen, Städte deutsche Namen tragen, Aids ganze Generationen auslöschte, Elefanten würdevoll ihrer Wege ziehen und die Menschen der allgegenwärtigen Armut
mit ansteckender Lebensfreude trotzen. Als zunehmend utopisch entpuppt sich das geplante Projekt: Der scheinbar gemeinsame Traum wird getragen von unterschiedlichsten, persönlichen Motivationen: Die Schweizer suchen neue Impulse für ihre Musik. Der deutschstämmige Namibier Bernhard Göttert will seiner Heimat etwas zu gute tun. Alle andern suchen (bloss) einen guten Job. Also wird NAMIBIA CROSSINGS zum Protokoll eines Schiffbruchs - und ist dabei der vielleicht ehrlichste Film, der über Fusion- und Weltmusik je gedreht wurde. Denn er zeigt, wo Grenzen liegen. Wo sich trotz guten Willens am Rande der Wüste einige Buschtrommeln dezidiert dagegenstemmen, mit einem Schweizer Akkordeon gemeinsame Sache zu Machen.
So ist NAMIBIA CROSSINGs denn ein eigentliches Soundgedicht, in dem aus dem Miteinander immer Mehr ein Nebeneinander wird. Es löst sich aus dem Trommeln der Afrikaner ein schwarzer Käfer, der taktgleich über die Strasse beinelt. Auf den höchsten Sanddünen der Welt singt Ermelinda einen Heimwehsong. Jacky rapt; und die Kids von Marienthal finden die lokale Band einiges grooviger als die "Harnbana Sound Company". Am Schluss machen ein paar Nichtafrikaner einen Trip zur "Geisterstadt" Kolmannskuppe, Der Schweizer Hans entlockt im Türrahmen eines halb mit Sand gefüllten Hauses dem Akkordeon einige Töne, die sich in der windigen Stille der Wüste verlieren. Da ist Liechti dann angekommen bei den Wurzeln der Musik: in der absoluten Stille. Und wenn er sagt: "Vielleicht ist Wehmut das deutsche Wort für Blues", geht kurz ein Engel durch den Kinosaal: So schöne simple wahre Sätze, wie sie Peter Liechti macht, trifft man - nicht nur im Kino - selten.

  
Geri Krebs, Der Bund, Bern, 17.9.2004
[...] Der Umstand, dass am Schluss eigentlich nur noch ein getrenntes Nebeneinanderstehen der so unterschiedlichen Musikkulturen bleibt, tut der Faszination von "Namibia Crossings" in keiner Weise Abbruch.
Jenes Bild von Hans Hassler, der gegen Ende des Films mit seinem Akkordeon einsam in der Ruine eines halb von einer Sanddüne zugedeckten Hauses spielt, ist nur eine von vielen für sich sprechenden Szenen, die aus "Namibia Crossings" viel mehr machen als ein musikalisches Road Movie über ein sanft gescheitertes interkulturelles Projekt.
Filme wie Musik. 
Am Festival Visions du Réel in Nyon, wo "Namibia Crossings" im vergangenen April seine Uraufführung erlebte, äusserte sich Peter Liechti auch über seine eigenen früheren musikalischen Ambitionen: "Ich mache Filme, weil ich keine Musik machen kann, aber eigentlich wäre ich lieber Musiker geworden." Er hadere jedoch nicht mit seinem Schicksal, es habe sich damals in seiner Jugend in St.Gallen einfach nicht so ergeben. Und so gehöre er halt nun zu jenen Filmern, die sich bemühten, ihre Filme bisweilen wie frei improvisierte Musik fliessen zu lassen und ihnen eine möglichst offene Struktur zu geben.
über ein Jahr haben Liechti und seine Cutterin Loredana Christelli an "Namibia Crossings" geschnitten und damit das Budget so weit überzogen, dass sie sich verschulden mussten, um den Film überhaupt herausbringen zu können.
Das lustvolle Assoziieren, das Drauflosfabulieren, das in "Hans im Glück", Liechtis vorherigem Film, zu so vielen umwerfend komischen Szenen führte, ist auch in "Namibia Crossings" wieder präsent - weniger in der Sprache als vielmehr in grossartigen, in sich ruhenden Bildern, die immer wieder auch eine Vorstellung von einem anderen Zeitbegriff geben, der auf dem Schwarzen Kontinent herrscht.
"Afrika: das Weggetragen-Sein in eine Zeit, die längst nicht mehr die Unsere ist, an die wir uns aber alle zu erinnern glauben. Vielleicht meine ich auch: Geborgenheit." Liechtis Stimme im Off am Anfang des Films versucht, die romantische Vorstellung, die wir mit Afrika verbinden, sprachlich auszudrücken. Das ist ein sehr schöner Einstieg in einen enorm vielschichtigen Film, in dem sich Bild und Musik derart verbinden, dass wenigstens in dieser Hinsicht von einer geglückten Fusion gesprochen werden kann.

 
Otto Friedrich, Die Furche, 8.9.2005.
Multikulti-Scheitern
Musik überwindet Kulturen und Grenzen. So ähnlich lautet ein verbreitetes, wenn auch positiv gemeintes Vorurteil. "Namibia Crossings", der Filmessay des Schweizer Dokumentarfilmers Peter Liechti, zeigt aber auch, dass auch in der Musik Multikulti nicht per se funktioniert: Liechti begleitet die "Hambana Sound Company", eine 12-köpfige Band mit Musikern aus Namibia, Zimbabwe, Angola, Rußland und der Schweiz auf einer Tournee durch Namibia. Das Projekt ist Work in Progress, das heißt, die Musiker lernen sich erst auf dieser Tournee kennen - und scheitern aneinander und an den Ansprüchen. Ein Beispiel: Hans, der urige Schweizer Akkordeonspieler, liebt es, seinem Instrument schräge Töne zu entlocken. Dominic, der Namibier, empfindet das als Beleidigung seines musikalischen Empfindens... Konzentriert, dicht und auf den Rhythmus der Musik achtend, inszeniert Liechti dieses Road-Movie der anderen Art. Subtil entlarvt der Film den paternalistischen Kolonialismus europäischen Musikverständnisses, der unter dem Label "Weltmusik" andere Kulturen vereinnahmt - und begeistert fast nebenbei mit traumhaften Blicken auf Landschaft und Leute der einstigen deutschen Kolonie Südwestafrika.

City, Wien, 8.9.2005
Namibia Crossinngs

Eine namibische Sängerin sucht vergeblich auf einem Globus die Schweiz. "Ihr müsst von einem anderen Planeten sein!" ruft sie schließlich den eidgenössischen Musikern zu, die gekommen sind, um mit afrikanischen Kollegen in Austausch zu treten. Regisseur Peter Liechti, der das multinationale Projekt einen Monat begleitete, hat diese filmische Anekdote bewußt an den Anfang seiner Dokumentation gesetzt. Denn wie sich bald zeigt, bleibt trotz der anfänglichen Begeisterung von beiden Seiten das Unterfangen, einen Monat lang in einem Land, das von den Wunden der Apartheid kaum geheilt ist, gemeinsam zu proben, zu touren und mit lokalen Musikgruppen zu spielen, nicht konfliktfrei. Zu unterschiedlich sind die Motivationen, zu naiv die Hoffnungen, die kulturellen Lasten fallen lassen zu können, um zu den Wurzeln der Musik selbst zurückzukehren. "Namibia Crossings" zeugt in bestechend aufrichtigen Bildern das sanfte Scheitern eines Projekts, das aus der Sehnsucht nach dem Anderen entstand, an seinem Fremdsein zerbracht - und in den Köpfen der Zuschauer hoffentlich dennoch weiterleben wird.

Christoph Egger, NZZ, 17.9.04
Musikalische Begegnungen im weiten Land
«Namibia Crossings» - ein Dokumentarfilm von Peter Liechti

[...] Verhalten-eindrücklich schildert die in Windhoek lebende russische Flötistin und Sängerin Polina Loubnina gegen Ende des Films, mitten in der unwirklichen Szenerie der vom Sand erstickten, begrabenen Siedlung Kolmannskoppe, wie sie sich erst dann als anders empfinde, wenn sie im Streit von afrikanischen Freunden als «weiss» angegriffen werde. Auseinandersetzungen sind auch im Verlauf dieser Tournee verschiedentlich zu sehen und zu hören. Es erweist sich als nicht einfach, die unterschiedlichen musikalischen Vorstellungen zusammenzubringen, im Ensemble so gut wie mit einheimischen Gruppierungen.

Und dennoch wird gerade die Musik hier auf faszinierende Weise sichtbar. Eben nicht nur im Konzert, im funkelnden Sprechgesang der beiden Sängerinnen beim grossen Abschlusskonzert. Sondern auch im Alltag der Leute, der in bedrückender Armut und von kaum begreiflicher Fröhlichkeit erscheint, der eine Lust am Leben zeigt, die den kleinsten Anlass nutzt, um ein paar winzige, hochpräzise Tanzschritte auszuführen oder ein mitreissendes Klatschen zu beginnen. Dies gilt für die «Sunshine Kids» von Epukiro ebenso wie für die Kinder in den trostlosen Townships von Mariental, das zur «Stadt der Kinder» fast ohne Erwachsene geworden ist. Man versteht unwillkürlich, dass die Bilder von «America under attack» an diesem 11. September 2001 hier kein allzu grosses Interesse finden.

Und dank der Montage der Cutterin Loredana Cristelli überträgt sich dieser Rhythmus auf das Land, wenn in die Musik schon Bilder von Aufbruch und Weiterfahrt geschnitten werden. Er grundiert Landschaften, die scheinbar bis zum Horizont leer daliegen und aus denen dann plötzlich ein Elefant hervortreten kann oder ein geschäftiger Skarabäus auf der Sandpiste. Und obwohl der Filmemacher konstatieren muss, dass von «Austausch kaum die Rede» sein kann, findet er in der gemeinsam gespielten Musik doch etwas von der gesuchten «Essenz Afrikas». Seitenblicke auf «Deutschsüdwest» in einem Hotel, auf den altmodischen Charme von Lüderitz mit seinen Diamantenförderbooten in der Bucht verweisen auf eine Geschichte, die hier nur angedeutet wird. Und fremd, «uneingelöst» bleiben die Bilder der musizierenden San, der lange von den Weissen wie von den Schwarzen verfolgten Ureinwohner. (Kino Riffraff in Zürich)

Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter: www.nzz.ch/ 2004/09/17/fi/page-article9UQ2G.html – Copyright © Neue Zürcher Zeitung AG

       
Valentin Rabitsch, Luzerner Zeitung Sept. 04
Nachdem "Namibia Crossings" am diesjährigen Dokumentarfilmfestival in Nyon als Eröffnungsfilm seine würdige Schweizer Premiere feiern konnte, las man in verschiedenen Zeitungen, der Film handle von einem gescheiterten interkulturellen Musikprojekt. Gescheitert? Wer sich den Film über eine internationale Gruppe von 12 Musikerinnen und Musikern ansieht, die unterwegs durch Namibia verschiedenen lokalen Musikgruppen begegnet, wartet vergeblich auf den Augenblick des Scheiterns. Auch der Regisseur Peter Liechti sieht die Reise durch "eines der kulturell am wenigsten entwickelten afrikanischen Länder" keineswegs als Scheitern. Der Anspruch des in Namibia aufgewachsenen Schweizer Cellisten Bernhard Göttert, im Rahmen des von ihm initiierten Projekts eine neue Musik zu kreieren, kam Liechti von Anfang an naiv vor. Doch bei allen enttäuschten Erwartungen, von denen im Film berichtet wird, stellt Liechti fest, dass die auch gruppendynamisch aufreibende Reise am Schluss selbst den grössten Skeptikern als ein ausserordentliches und reiches Erlebnis in Erinnerung blieb. "Als ich bei der Premiere in Windhoek zum ersten Mal ohne den Dreh-Stress Zeit fand, mich persönlicher auf die Leute einzulassen, realisierte ich, dass da eine wichtige, auch in die Zukunft wirkende Begegnung stattgefunden hatte."

Es gibt im Fall von "Namibia Crossings" eigentlich zwei kulturelle Erzeugnisse zu besprechen - das musikalische Experiment und den Dokumentarfilm darüber, wobei diese beiden Projekte von Anfang an in einer heiklen gegenseitigen Abhänigkeit standen. "Das Musik-Projekt hätte wohl ohne den Film nicht realisiert werden können, weil es sich allein nicht finanzieren liess. Der Film wiederum hätte ohne das Musik-Projekt keinen Sinn gemacht, also musste die Film-Produktion (Franziska Reck) es querfinanzieren." Liechti wollte am Musikprojekt vor allem beobachtend teilnehmen, wurde bei Differenzen dann aber doch zur Anlaufstelle: "Als es losging, waren die Musiker nur noch mit ihren Proben und eigenen Ideen beschäftigt, völlig unabhängig vom Film. Wenn es aber mal Unstimmigkeiten gab, kamen sie trotzdem zu mir".

Angesichts dieser Verstrickungen hat Liechti einen ehrlichen und überzeugenden Film hingekriegt. Gerade mittels seiner sehr subjektiven Perspektive gelingt es ihm immer wieder, Transparenz und Distanz zu schaffen. "Ich sagte Bernhard, dass ich vor allem interessiert war an dem, was links und rechts vom eigentlichen Projekt passierte." Und da passierte so einiges. Die "wunderbaren Leute", von denen Liechti im Gespräch immer wieder schwärmt, bleiben auch auf der Leinwand trotz ihrer Launen und Widersprüche greifbare, spannende Individuen. So ist aus "Namibia Crossings" ein lebendiger Reisebericht geworden, der die obligate Reise der am Projekt beteiligten zu "sich selbst" sozusagen in den Dialog mit einem teils überwältigenden landschaftlichen Hintergrund stellt. Es ist in "Namibia Crossings" aber auch eine Leere fühlbar, und gerade aus dieser bezieht der Film seine erstaunliche Kraft.

Valentin Rabitsch, Luzerner Zeitung Sept. 04

      
Erika von Wietersheim, NZZ, Sommer 2002 
Afrikanische Musik in Bildern
Ein aussergewöhnliches Filmprojekt entsteht in der bizarren Landschaft Namibias

In seinem Film «Namibia Crossings» fängt der Schweizer Regisseur Peter Liechti afrikanische Musik in Bildern ein. Mit seiner 3-köpfigen Filmequipe begleitet er das afrikanisch-schweizerische Musikensemble «Hambana Sound Company» kreuz und quer durch Namibia - ein noch stark von der Apartheid geprägtes Land, ohne professionelle Musikindustrie, in dem Lebensweisen aus der Steinzeit, afrikanische Tradition und modernes westliches Leben noch unvermittelt nebeneinander existieren.

Die Filmkamera richtet sich auf das Publikum: Klatschen, Trampeln - Zugabe! Das Konzert der «Hambana Sound Company» ist ein Erfolg. Doch für das 12-köpfige Ensemble afrikanischer und Schweizer Musiker ist die Abschlussvorstellung ihrer Tournee durch Namibia eher ein Frage- denn ein Ausrufezeichen hinter ein arbeits - und zeitintensives Projekt. Vier Wochen sind sie durch die bizarre Landschaft Namibias gereist und haben im ganzen Land namibische Musiker aufgesucht oder wieder besucht und mit ihnen musikalisch experimentiert. Doch hat das Konzert auf der Bühne des grossen Theatersaals der Hauptstadt Windhoek auch nur annähernd dem klatschenden Publikum etwas von der Vielseitigkeit und Emotionalität der namibischen Alltagsmusik gezeigt, der sie in den Dörfern, den Townships und in den einsamen Steppen begegnet sind? Und konnte dieses Konzert auch nur ansatzweise etwas von der Vielschichtigkeit des intensiven, teils mühsamen, teils sogar gescheiterten kulturellen Austausches zwischen afrikanischen und europäischen Musikern vermitteln?

Im September 2000 gründete der heute in der Schweiz lebende namibische Cellist Bernhard Göttert ein 12-köpfiges Musikensemble in Windhoek. Mitglieder waren Musiker aus dem südlichen Afrika und aus Europa, darunter die Schweizer Fredy Studer und Hans Hassler. Ein Jahr später wollte das Ensemble, nach 10-tägigen Proben und einem ersten Konzert in Windhoek, durch die ehemalige deutsche Kolonie Namibia reisen, um in der Begegnung mit Musikern aus dem ganzen Land die Wurzeln afrikanischer Musik, aber auch zeitgenössische Tendenzen in Namibia zu entdecken. Keine ethnographische Studien, sondern ein spontaner musikalischer Austausch in Form von Improvisation und Jam-Sessions sollte dabei als Mittel eingesetzt werden.

Gleichzeitig bestand der Wunsch, Erlebtes und Erarbeitetes auch für ein breiteres Publikum in Namibia und in der Schweiz zu dokumentieren. Schon bei den Vorbereitungen wurde Bernhard Göttert deutlich, dass kein Konzert und keine CD die Begegnung mit der afrikanischen Musik angemessen vermitteln könnte. Diese Erkenntnis führte zu einer kreativen Zusammenarbeit von Musik und Film. Sechs Wochen lang begleitete der Schweizer Regisseur Peter Liechti mit seiner Filmequipe das Musikensemble auf seiner Fahrt über die staubigen und steinigen Strassen Namibias und fing mit Bildern ein, was ein Abschlusskonzert nicht konzentrieren, eine CD nicht konservieren kann: eine Musik, die zum Alltag gehört wie Arbeit und Essen und meist situativ entsteht, sei es bei einem Fest, bei der Arbeit oder als Ausdruck der Lebensfreude; eine Musik, die mancherorts noch kaum zu unterscheiden ist von den rhythmischen Klängen und Bewegungen einfacher Arbeitsvorgänge und wo der Übergang von Arbeit, Tanz und Musik noch fliessend ist; eine Musik, die oft noch enge Berührungspunkte zum Spirituellen hat, wo Musik zur Trance und Trance zur Musik führt; eine Musik, die in den Städten schon stark von westlicher Popmusik beeinflusst ist, aber trotz stereotyper Nachahmung und teilweise schäbiger Mittelmässigkeit voll ansteckender afrikanischer Vitalität ist.

Und auch eine realistische Dokumentation der multikulturellen musikalischen Begegnung braucht das Bunte und Bewegliche des Films, damit sichtbar wird, was durch Ton und Musik allein nicht reproduzierbar ist: wie auf der gemeinsamen Reise durch die weiten Steppen, die stillen Wüsten und die lärmenden Townships Menschen verschiedener kultureller Herkunft und mit unterschiedlichem musikalischen Hintergrund miteinander umgehen, voneinander lernen, aber letztlich am meisten über sich selbst gelernt haben. Der Film zeigt die im Konzert unsichtbar bleibenden Prozesse der Annäherung und Ablehnung, das Spontane, Unerwartete und Stumme, die Musik im Alltag und der Alltag in der Musik. «Es braucht die Bilder des Film», meint Peter Liechti, «um die expressive Kraft und menschliche Wärme, die ganze Vielschichtigkeit und Emotionalität dieser Art des gemeinsamen Musizierens nicht nur zu hören, sondern erfahrbar zu machen».

Grenzen der Begegnung
Um diese Stimmung einzufangen, richten sich die zwei Filmkameras auf die zahlreichen «Soundstories» am Rande, auf die kleinen Ereignisse, Klänge und Gespräche des Tourneealltags. Die Diskussionen am abendlichen Feuer und die diversen Spannungen und Schwingungen zwischen den Musikern aller Hautfarben zeigen, dass kulturelle Begegnung trotz aller Bereitwilligkeit auch an Grenzen stösst. Der Wunsch nach Austausch und Begegnung war offensichtlich unterschiedlich motiviert und nicht immer gegenseitig: Während bei den Schweizern das Unbehagen an der eigenen Kultur zur Suche nach Neuem und Fremdem führt, suchen die namibischen Musiker eher nach der verlorenen eigenen Kultur. Dominic Lunenge aus dem Norden Namibias erklärt es Bernhard Göttert so: «Während der Apartheid wurde die Kultur der Schwarzen negiert oder abgewertet, dadurch hat sich ein Zeitloch in der Entwicklung afrikanischer Tradition ergeben. Viele Lieder, Tänze und Geschichten wurden vergessen. Dieses Loch muss zunächst mit dem Begreifen und der Wertschätzung der eigenen, uns fremd gewordenen Kultur überbrückt werden. Jeder neue Einfluss, jede fremde Idee von aussen stört eigentlich diesen Prozess der Selbstfindung. Wir wollen von Euch etwas lernen, aber für einen wirklichen Austausch ist es noch zu früh.»

Das Erbe der Apartheid hat auch den Umgang miteinander oft schwierig gemacht. Wo Menschenrechte jahrzehntelang mit Füssen getreten wurden, wird heute die Wahrung der Würde des Einzelnen sehr hoch gewertet. Die hohe Empfindlichkeit, wenn einer Person nicht genug Achtung gezeigt wurde, hat viele Konflikte, auch beim Musizieren, hervorgerufen. «Ich habe in Namibia wieder gelernt, was «Respekt haben» heisst und begriffen wie respektlos wir oft waren oder sind, auch in unserer eigenen Kultur», sagt Franziska Reck, die mitgereiste Produzentin des Films, die froh ist über die erfolgreiche Vorbereitungsphase des Projekts mit namibischen Personen und Institutionen.

Kulturelle Unterschiede und historische Prägungen wurden allerdings weniger in Gesprächen diskutiert, sondern tauchten immer ganz spontan an die Oberfläche - beim Aussteigen aus dem Bus, beim Essen, bei der Verteilung der Schlafplätze. Unter diesen Umständen wurden die Dreharbeiten zum permanenten Standby. «Das Konzept des Musikprojektes, die Spontaneität der Afrikaner - und die kontrastreichen Landschaft - bringen es mit sich, dass die schönsten und vor allem unwiederbringlichen Szenen sich in oft unerwarteten Augenblicken abspielen. Eine exakte Planung war unmöglich, Präzision nur im Moment zu erreichen», meint Peter Liechti. Doch ihm gefallen diese extremen Situationen ebenso wie die starken Kontraste, die auf dieser Reise aufeinanderprallen: Das grelle Tageslicht und die dunklen engen Hütten, die emotionale und physischen Nähe der Menschen und die unermesslich weiten Landschaften, die zurückhaltende Gelassenheit der afrikanischen Musiker im Kontrast zu dem eher forderndem und provozierendem Enthusiasmus der Musikprofis aus der Schweiz. «In diesem Sonnensturm der Eindrücke war es schwierig, einen kühlen Kopf zu behalten», meint Liechti nach den anstrengenden Dreharbeiten. - Jetzt geht es darum, die kilometerlangen filmischen Abdrücke zu einer 1 1/2- stündigen Komposition zu verdichten, zu einem filmischen Dialog zwischen der Sprache der Musik und der Sprache des Bildes. Denn nur in diesem Zusammenklang wird erfahrbar, dass Musik in Afrika nicht getrennt werden kann von Alltag und Geschichte, von Tanz und Arbeit, von Gesten und Sprachen.

  

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